Feminismus von Ost: Podiumsgespräch über verlorengegangene Errungenschaften und die Verschiedenheit feministischer Perspektiven in Ost und West.

Podiumsdiskussion
So. 27. Okt. 2019

Darmstadt

19:00 Uhr
zucker - Veranstaltungsraum, Liebfrauenstraße 66

Feminismus von Ost: Podiumsgespräch über verlorengegangene Errungenschaften und die Verschiedenheit feministischer Perspektiven in Ost und West.
27.10.2019 – 19 Uhr  Zucker (Liebfrauenstraße 66, Darmstadt)


„Die Frauen haben kein Vaterland zu verlieren, sondern eine Welt zu gewinnen. Wir sollten gerade jetzt die Chance ergreifen, in einem erneuerten Sozialismus die Vielfalt unserer Lebensformen, unserer individuelle Verschiedenartigkeit, unsere Bedürfnisse und Ansprüche zur Geltung bringen.“
(Auszüge aus dem Manifest für eine autonome Frauenbewegung. “, 03.12.1989, Ost-Berlin. In: Frauen in die Offensive: Texte und Arbeitspapiere. Berlin, 1990)


Der Alltag vieler Frauen in der DDR waren durch ein hohes Maß Unabhängigkeit geprägt. Errungenschaften der feministischen Bewegung, wie eine Frauenerwerbsarbeit bei gleichem Lohn, die Legalität von Schwangerschaftsabbrüchen, ein liberales Scheidungsrecht oder eine Anrecht auf Kinderbetreuung waren – bei gleichzeitig patriarchalen Staatswesen – gelebte Realität.
Mit der Eingliederung der DDR in den westdeutschen Staat im Oktober 1990 ist dieser Emanzipationsvorsprung Ost passé. Die Entwicklungen in der Nachwendezeit stellten das gesamte Werte- und Wirtschaftssystem auf dem Kopf: Massen- und v.a. weibliche Arbeitslosigkeit, eingebrochene Geburtenraten und gesetzliche Rückschritte prägten diese Zeit.
Dabei wurde der gesellschaftliche Aufbruch im Herbst 1989 in der DDR von einer starken unabhängigen Frauenbewegung getragen, die die weitere Emanzipation von Frauen als ein gesamtgesellschaftliches Projekt einer offenen, ökologische, nicht-totalitäre sozialistischen Gesellschaft verstand.
Der feministische Aufbruch 89 und die ostdeutschen Emanzipationsmomente werden in der zeitgenössischen (westdeutschen) Erinnerungskultur weitestgehend ausgeblendet. Zudem prallten nach 1990 die unterschiedlichen Lebensrealitäten und Überzeugungen west- und ostdeutscher Feministinnen aufeinander, wodurch sich ostdeutsche Feministinnen frustriert zurückzogen.


Mit dem Podiumsgespräch wollen wir an die emanzipatorischen Ansätze der unabhängigen feministischen Bewegung in der DDR und Ostdeutschland anknüpfen. Was zeichnete die ostdeutsche Frauenbewegung im Herbst 1989 aus? Wieso verstanden die ostdeutschen Feministinnen nach der 1990 ihre westdeutschen Schwestern nicht? Was können wir für die gegenwärtigen feministischen Kämpfe lernen?
(Bild: Unabhängiger Frauenverband UFV)

Die Veranstaltung ist der Teil der Reihe „Emanzipatorische Perspektiven im Osten  Gesellschaftlicher Aufbruch 1989 und ostdeutsche Verhältnisse 30 Jahre danach“ der Interventionistischen Linken Darmstadt

„Sorgen wir dafür, dass in unserem Land niemand wegen seiner Herkunft, seiner Nationalität, wegen seiner Behinderung oder einfach seiner Andersartigkeit ausgegrenzt wird. Schaffen wir vielmehr die Bedingungen für die Entwicklung solidarischer Beziehungen – zwischen Männern und Frauen, zwischen Eltern und Kindern, zwischen Alten und Jungen, zwischen Gesunden und Kranken (…).“

„Wollen wir uns etwa mit den Herren in Bonn wiedervereinigen? Die Diktatur des Politbüros durch die Diktatur des Bundeskanzleramts ersetzen? Wiedervereinigung hieße in der Frauenfrage drei Schritte zurück. Es hieße – überspitzt gesagt – Frauen zurück an den Herd. Es hieße: wieder Kämpfen um das Recht auf Arbeit, kämpfen um einen Platz für den Kindergarten, und die Schulspeißung. Es hieße vieles mühsam Errungene aufzugeben, statt es auf eine neue qualitative Stufe zu heben“